Martin Jenny Kreislaufwirtschaft

November, 2025

Nachlese zum Kamingespräch "Kreislaufwirtschaft"

Kreislaufwirtschaft – Nachhaltige Vision oder betriebswirtschaftlicher Unsinn?

Am 12. November 2025 luden die Gemeinwohl-Ökonomie Vorarlberg, die Bibliothek Satteins und die e5 Gemeinde Satteins zu einem inspirierenden Impulsvortrag mit Martin Jenny und anschließendem offenen und sehr engagierten Dialog zum Thema „Kreislaufwirtschaft“ ein. 

Dem Experten Martin Jenny – der von sich selbst sagt: „Elektronik, Technik, Energiewende, Nachhaltigkeit: das sind meine Leidenschaften, mit denen ich mich sowohl beruflich als auch privat  beschäftige“ – gelang es sehr eindrücklich und verständlich das Thema „Kreislaufwirtschaft“ den interessierten Zuhörenden näher zu bringen. So konnte er auch die eine oder andere Fehlinterpretation oder Befürchtung mit konkreten Beispielen und Zahlen entkräften.

Martin Jenny Kreislaufwirtschaft

Auch auf die Frage „Wer treibt die Kreislaufwirtschaft an?“, blieb der Referent die Antwort nicht schuldig. Nicht nur von lokalen Initiativen, sondern auch von EU-Seite wird zukünftig der Veränderungsdruck in Richtung Kreislaufwirtschaft größer werden. Die EU plant dafür einen einheitlichen gesetzlichen Rahmen, mit dem Ziel der Schaffung von Binnenmärkten für Sekundarrohstoffe (wie z.B. Aluminium oder Lithium) und damit einer Rohstoffunabhängigkeit und einem nachhaltigen Wirtschaftswachstum. Diese Ziele sollte über Produktdessins, die sich durch Reparierbarkeit, Recyclbarkeit und Langlebigkeit auszeichnen, erreicht werden. Kreislaufwirtschaft bedeutet also mehr als Recycling. Sie beschreibt einen ganzheitlichen Ansatz zur Ressourcenschonung und zu einem Systemwandel, ist aber zudem auch noch eine Innovationsquelle, fördert Kooperationen und ein nachhaltiges Wirtschaftswachstum. „Kreislaufwirtschaft und Wirtschaftlichkeit müssen kein Widerspruch sein, denn Kreislaufwirtschaft ist ein Schlüssel zu nachhaltigem unternehmerischem Erfolg“, davon ist Martin Jenny überzeugt.

Schrauben statt kleben

Wie alles, das riesengroß anmutet, beginnt aber auch dieser Prozess im Kleinen. So wurde unter anderem von einer Firma berichtet, die ihre Produkte jetzt wieder verschraubt, anstatt wie bisher zu verkleben. Das bedeutet, die volle Funktion bleibt erhalten, aber die Produkte werden hierüber recyclingfähig. Als weitere bereits realisierte Umsetzungsbeispiele wurden Produkte aus der Textilindustrie oder der Verzinkerei, die Herstellung von Trafostationen oder auch von Kühlschränken vorgestellt – Produkte, die einem wohl nicht als erstes in Zusammenhang mit realisierter Kreislaufwirtschat einfallen.

Erste Schritte für Unternehmen

Experte Martin Jenny brachte es auf den Punkt: „Es nützt nichts, wenn die Abfalltonne nur noch halbvoll ist. Ziel ist es, dass sie ganz leer bleibt. Deshalb ist eine Standortbestimmung ein erster Schritt für Unternehmen. Basierend auf den Ergebnissen kann dann an einem oder mehreren konkreten Produkten überlegt und entwickeln werden, wie die Transformation in Richtung ökologisch, sozial und kreislauffähige Produkte realisiert werden kann. Das benötigt Zeit und die Vernetzung ganz unterschiedlicher Professionen. Das geht nicht von heute auf morgen, aber dass wir starten, ist wichtig.“

Martin Jenny und Margit Brunner Gohm

Unterstützung für Unternehmen

„Konkrete Hilfestellung für diesen Prozess kann zum Beispiel die Gemeinwohlmatrix liefern“, ergänzte Gebhard Moser, der Geschäftsführer des Vereins Gemeinwohl-Ökonomie Vorarlberg (GWÖ-V). Dieser Verein unterstützt Unternehmen, Vereine und Gemeinden bei der Gemeinwohlzertifizierung. Auch die Bibliothek Satteins hat vor einigen Jahren mit Unterstützung der GWÖ-V einen Gemeinwohl-Fokus-Bericht erarbeitet und versucht im Kleinen die Prinzipien der Kreislaufwirtschaft umzusetzen. „Es gibt in der Zwischenzeit einige wenige Verlage, die ihre Bücher Cradel-to-Cradel erzeugen. Dabei stammt das verwendete Papier aus zertifizierten Wäldern, es wir mit Pflanzenölfarben gedruckt, alle Materialien werden auf ihre Umwelt- und Gesundheitsverträglichkeit hin getestet und auch für die Produktion wird erneuerbare Energie eingesetzt. Wenn dann die Bücher thematisch auch noch den Wünschen unserer Kundschaft entsprechen, kaufen wir selbstverständlich diese an. Durch das vielfache Entlehnen und dem Pflegen der Bücher, dem Einstellen von ausgeschiedenen Büchern in den Bücherschrank oder durch die Weitergabe an Bücherbasare versuchen wir weitere ökologische und soziale Aspekte in diesem Kreislaufsegment umzusetzen,“ beschrieb Margit Brunner Gohm, Leiterin der Bibliothek, ein ganz konkretes Projekt aus dem Bibliotheksalltag.

Was kann ich konkret tun?

„Gebrauchte Handys kaufen, nur ein E-Bike im Haushalt und uns auf uns selbst und unsere Klima-Superkräfte besinnen“, schlug der Referent als konkrete Maßnahmen vor, die jede und jeder von uns umsetzen kann. Denn als Bürger*innen, Konsument*innen, Investor*innen, Mitarbeiter*innen, Geschäftsführer*innen oder Vorbilder haben wir es mit unseren täglichen (Kauf)Entscheidungen selbst in der Hand, wohin die Reise geht - auch ohne riesige Budgets.

 

Gebhard Moser und Martin Jenny

Definition „Kreislaufwirtschaft“

Die Kreislaufwirtschaft ist ein Wirtschaftsmodell, bei dem bestehende Materialien und Produkte so lange wie möglich geteilt, geleast, wiederverwendet, repariert, aufgearbeitet und recycelt werden. Somit wird der Lebenszyklus der Produkte verlängert und Abfälle werden auf ein Minimum reduziert. Nachdem ein Produkt das Ende seiner Lebensdauer erreicht hat, verbleiben die Ressourcen und Materialien so weit wie möglich in der Wirtschaft, werden immer wieder produktiv weiterverwendet und dadurch wird weiterhin Wertschöpfung generiert.

Die Kreislaufwirtschaft steht im Gegensatz zum traditionellen, linearen Wirtschaftsmodell („Wegwerfwirtschaft“), das auf große Mengen billiger, leicht zugänglicher Materialien und Energie setzt. (Vgl. https://www.europarl.europa.eu

 

Statements von Besucher*innen

Gerhard Malin
Gerhard Malin (Vizebürgermeister Satteins): „Für mich als Landwirt ist Kreislaufwirtschaft das Wichtigste. Wir stellen alles, was möglich ist, selbst her, auch Energie, und werfen kaum etwas weg. Wir benützen Sachen so lange es geht, reparieren sie und kaufen nur neue, wenn es wirklich nicht mehr anders geht. Für mich sind Auflagen in Ordnung, aber sie müssen für alle Produkte und Dienstleistungen gelten, die im Land verkauft werden, auch für importierte.“
Silvia Dobler
Silvia Dobler (Gemeindevertreterin Satteins): „Ich kenne das Thema Kreislaufwirtschaft und es war toll, die verschiedenen Ansätze in der Runde zu diskutieren. Bildung und Wissen, also ansetzen bei der Jugend und den Konsumentinnen und Konsumenten, wäre für mich der zielführende Hebel“.
Corinna Amann
Corinna Amann (Unternehmerin Satteins): „Ich finde es toll, dass das Thema Kreislaufwirtschaft in Satteins präsent ist. Hoffe, dass es in viele Unternehmen einließt und auch die Konsumierenden nach diesen Prinzipien handeln. Auch bei den Kindern ansetzen ist wichtig. Wenn wir ihnen Denkanstöße geben, dann lernen sie neu und anders zu handeln, vielleicht auch erst im Erwachsenenalter.“
Walter Reutz
Walter Reutz (Pensionist Satteins): „Damit Kreislaufwirtschaft funktionieren kann, braucht es Gemeinschaften und den direkten, persönlichen Austausch. Auch Firmen unterstützen sich so gegenseitig, gehen nicht in Konkurrenz, polarisieren nicht, sondern gehen ins Gespräch mit allen Beteiligten“.